Positionen der deutschen Justiz zu Überwachung und Geheimdiensten in Geschichte und Gegenwart

16. Jahrestagung, 26. bis 28. September 2014

Tagungsbericht bei HSozKult

Die Funktion von Geheimdiensten und die von ihnen ausgehenden Gefahren für den Rechtsstaat werden in letzter Zeit erneut verstärkt diskutiert. Die immer noch ungeklärte Rolle der Verfassungsschutzbehörden bei der gescheiterten Aufklärung der Mordserie des „NSU“ beschäftigt seit dem Jahr 2011 die Bundesrepublik. Mit den Veröffentlichungen des ehemaligen externen Mitarbeiters der US-amerikanischen NSA und Whistleblowers Edward Snowden ist im letzten Jahr außerdem eine Intensität geheimdienstlicher Überwachungen der alltäglichen Kommunikation zur Kenntnis einer breiten Öffentlichkeit gelangt, die vielerorts Empörung auslöst.

Auf der 15. Jahrestagung des Forums Justizgeschichte möchten wir diese aktuellen Enthüllungen zum Anlass nehmen, einen Blick auf das Verhältnis von Justiz und Geheimdiensten in der Geschichte der Bundesrepublik zu werfen. Als diejenige staatliche Gewalt, deren Anrufung den Bürger_innen Schutz vor exzessiven Maßnahmen und Willkürakten liefern soll, scheint die Justiz in einem „natürlichen“ Spannungsverhältnis zu einer Institution wie Geheimdiensten zu stehen, deren Interesse an einer wachsenden Masse von Informationen im Namen der Sicherheit schier unbegrenzt sein muss. Die Frage, wie dieser Konflikt in den verschiedenen Phasen der Geschichte der Bundesrepublik be- und verhandelt wurde, werden wir an diesem Wochenende in Wustrau diskutieren. Dabei sollen die verschiedenen als gefährlich eingestuften Strömungen und der jeweilige Umgang der Justiz mit ihnen beleuchtet werden. Gleichzeitig bedarf es der Erörterung, inwieweit das Bundesverfassungsgericht gegenüber den Geheimdiensten seiner Aufgabe als Hüter der Grundrechte gerecht geworden ist. Während des Wochenendes erhoffen wir uns auch Aufschluss darüber, ob und wenn ja warum die Entwicklungen der letzten Jahre tatsächlich eine neue Dimension der Grundrechtsgefährdung erreicht haben oder nicht einfach nur für ein Weiterverfolgen des ohnehin bestehenden und nicht hinterfragten Staatsschutzinteresses im 21. Jahrhundert stehen.

Heike Kleffner (Berlin)
Das „NSU“-Verfahren: Quellenschutz statt Strafverfolgung im ersten Jahr nach dem Untersuchungsausschuss?

Prof. Dr. Manfred Heinemann (Universität Hannover)
Die „68er“ zwischen Polizei, Geheimdiensten und Justiz und ihre Bedeutung für die Rechtsstaatsentwicklung in der Bundesrepublik

Film: Dem Unrecht auf der Spur. Der Richter Helmut Kramer

Jens Niederhut (Landesarchiv NRW)
Beurteilung nach Aktenlage? Die Einschätzung der Aktion „Frohe Ferien für alle Kinder“ durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz,

OStA Dr. Gerhard Pauli (Hagen)
Das Verratsgesetz von 1934 und das 1. Strafrechtsänderungsgesetz von 1951 – Kontinuität und Veränderung sowie die Anwendung bei der Kriminalisierung der Aktion „Frohe Ferien für alle Kinder“,

RiBVerwG Dr. Dieter Deiseroth (Leipzig)
Werner Pätsch: Wie ein Verfassungsschützer den BGH 1965 zur Anerkennung des Whistleblowing brachte

Dr. John Philipp Thurn (Berlin)
Verfassungsschutz und „Extremistenbeschluss“ in der staatsrechtlichen Debatte der 1970er Jahre

RA Ulrich v. Klinggräf (Berlin)
Das Schmücker-Verfahren: Verfassungsschutz und Strafverfahren,

Michael Plöse (Humboldt-Universität zu Berlin)
Die Sicherheitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor und nach dem 11. September 2001